Das Karwendelgebirge in Mittenwald gehört zu den höchsten und zugleich den schönsten Bergmassiven an der Grenze zwischen Bayern und Tirol. Für erfahrene Bergsteiger bietet das Bergmassiv zahlreiche anspruchsvolle Routen mit vielen Höhenmetern und schönen Einkehrmöglichkeiten, vor allem den berühmten Mittenwalder Höhenweg.
Tourensteckbrief
Schwierigkeitsgrad: schwer
Streckenlänge: ca. 20 km (gesamt)
Aufstiege: 1.800 hm
Abstiege: 1.800 hm
Zudem bietet das Karwendel eine tolle Möglichkeit, hochalpine Ziele mühelos zu erreichen - durch die Verbindung mit der Karwendelbahn. Damit ist die sogenannte Karwendelgrube, wo die Bergstation unterhalb von der Westlichen Karwendelspitze liegt, ein beliebtes Ausflugs- und Wanderziel. Hier auf der 2.244 m Höhe finden die Ausflügler leichte Wanderrouten mit atemberaubendem Panoramablick. Das Gipfelkreuz auf der Westlichen Karwendelspitze ist von der Bergstation in nur ca. 20 Minuten zu erreichen und für tolle Gipfelfotos perfekt geeignet. Dabei serviert die hiesige Berggaststätte die hauseigene Biersorte „2244“.
Teil 1: Unser Ausflug mit der Karwendelbahn
Teil 2: Mittenwalder Höhenweg
Zwei Wochen nach unserem Ausflug mit der Karwendelbahn verwirklicht sich mein Traum und ein Bergwachtkollege erklärt sich bereit, mir Gesellschaft für die Überquerung des Mittenwalder Höhenwegs zu leisten. Selbstverständlich wollen wir die Tour ohne Bergbahnunterstützung machen, was für mich bedeutet, dass es eine ganz sportliche Unternehmung mit über 1.900 hm wird - so viel habe ich bisher an einem Tag noch nie geschafft. So bin ich voll gespannt, wie es mir dann geht - nicht dass ich von den Kameraden gerettet werden muss.
Angesichts des Regenwetters ist oben viel Schnee zu erwarten, dadurch gilt unsere kommende Tour Mitte Oktober wahrscheinlich als Wintersaisoneröffnung. Dementsprechend packen wir die Grödel bzw. Steigeisen und warme Kleidung mit. Allerdings meint mein Kumpel, dass der Klettersteig meistens über die Südseite verläuft, was in Kombination mit dem Gipfelwind teilweise dazu führt, dass der Schnee schnell abgeblasen wird oder durch die Sonne verschmilzt.
Der Aufstieg
09:00 Uhr: In Mittenwald angekommen, parken wir das Auto an der Karwendelbahn Talstation (933 m ü. N.N.) und überqueren die B2 über einen Untergang, um den Startpunkt unserer Wanderung zu erreichen. Eine weitere Freundin von uns kommt später mit der Karwendelbahn, der Treffpunkt ist oben um 12 Uhr ausgemacht. Erst nehmen wir den Steig zur Mittenwalder Hütte (1.519 m), die wir sportlich nach nur einer Stunde erreichen.
10:00 Uhr: Ab hier heißt es laut Wegweisern 3:15 Stunden bis zur Westlichen Karwendelspitze, also kurz oberhalb von der Bergstation. Der Weg, der meistens durch ausgesetzte Felsen und Kargebiete führt, wird im Winter je nach Schneelage bzw. Lawinengefahr gesperrt. Mal schauen, wie lange wir heute brauchen - unsere Freundin sollte ja zum Mittag oben sein. Direkt ab der Hütte kommen nun die ersten Schneefelder, der Weg wird teilweise vereist. Wir kommen allerdings mit unseren Wanderstöcken gut durch, Grödel / Steigeisen noch nicht nötig. Steilere Abschnitte sind mit einem Draht versehen, der bei der heutigen Schneelage noch überall gut greifbar ist. Umso höher wir aufsteigen, desto tiefer wird der Schnee. Dabei stört uns das Eis nicht mehr: bis zur Bergstation verläuft der Aufstieg vollständig im Schatten, die Sonne kommt in die Rinne auch tagsüber kaum rein, so wird hier der Pulverschnee sehr lange weich erhalten und es kommt kaum zu Vereisungen.
11:00 Uhr: Kurz nach 11 Uhr erreichen wir eine der zwei Seilbahnstützen. Bei einer Trinkpause beobachten wir die beiden Gondeln, die sich in der luftigen Höhe so gesagt gegenseitig begrüßen. Ab hier wird der Weg noch steiler und der Schnee deutlich tiefer. Wenn es weiter so geht, habe ich keine Kräfte mehr für den Klettersteig, so ein trauriger Gedanke geht mir durch den Kopf. Aber die Füße und Beine kennen keine Trauer und lassen den im Schnee begrabenen Weg mit seinen Schwierigkeiten Schritt für Schritt tapfer hinter sich. Genau kurz vor Mittag stehen wir unterhalb von der Bergstation und beobachten die nächste Gondel, die vielleicht unsere Freundin gebracht hat.
12:00 Uhr: Die Freundin ist jetzt tatsächlich angekommen, sie versucht es, uns telefonisch zu erreichen und sucht uns auf dem oberen Plateau. Wir haben es auch endlich geschafft und stehen bald kurz oberhalb von der Bergstation. Sobald es uns gelingt, unsere Füße auf eine Ebene zu stellen, streikt mein Körper nach einer Mittagspause. Demnächst sitzen wir zu dritt auf einer Bank und essen Äpfel. Mein Kamerad schlägt vor, den Höhenweg wie es gehört an der Westlichen Karwendelspitze zu beginnen. Mir ist es aber gerade wichtiger, vor dem mehrstündigen Klettersteig etwas länger zu verschnaufen, besonders wenn ich den Gipfel bereits vor ein paar Wochen besucht hatte. So verlassen mich die zwei mit den Rucksäcken auf einer Bank liegend unten am Grat für ein kleines Schläfchen.
Der Höhenweg
13:45 Uhr: Nach einer verlängerten Pause (die ich nach 1.300 hm bestimmt verdient habe) geht es auf den Mittenwalder Höhenweg los. Nach der Abzweigung zum Heinrich-Noe-Weg erreichen wir den Startpunkt unserer Tour. Oben erwartet mich heute ein ganz anderes Bild als vor zwei Wochen: der Steig ist komplett mit Schnee verweht. Wir ziehen dementsprechend unsere Grödel bzw. Steigeisen an. Das Gute dabei ist aber, der Weg wurde gespurt und im Tiefschnee sieht man sogar nach einzelnen Schritten, wie man am sichersten durchkommt. Erstmal auf eine Wanderung eingestellt, bauen wir unsere Wanderstöcke ab. Für die kommende Kletterstrecke sichern wir uns am Drahtseil.
14:30 Uhr: Schnell geht es voran und wir verlassen die drei Linderspitzen (2.372 m, 2.239 m und 2.304 m) hinter uns. Danach geht es ab zur Kreuzung mit dem Heinrich-Noe-Weg, über den man das erste Stück alternativ begehen kann. Der nächste Abschnitt beginnt gleich mit einer ca. 50 m hohen senkrechten Metallleiter, hier müssen wir wegen der Glätte Acht geben, obwohl kein Eis direkt drauf ist. Die stark ausgesetzte seilgesicherte Route führt uns durch die kahlen Felsen, teilweise über Eisenstangen oder Holzbrücken. Der Ausblick in jeder Richtung ist atemberaubend, so kommen wir ins Schwärmen und machen spontan eine Pause an einer der Grenzmarkierungen - unsere Route verläuft direkt über die deutsch-österreichische Grenze. Gleich werden wir von zwei Alpendohlen besucht, die neben uns landen und nach möglichen Schmankerln schauen. Ihre Bemühungen werden mit ein paar Mandeln belohnt.
15:40 Uhr: Danach geht es wieder runter und wir erreichen eine flache Stelle zwischen zwei Bergmassiven, wo keine Wanderschilder vorhanden sind. Vorne geht eine Spur in den Schatten, wo am Wegesrand ein Zeichen "Steinschlaggefahr" steht. Im Tiefschnee ist der Hang also auch potenziell lawinengefährlich, so suchen wir nach möglichen Alternativen. Auch wenn es hier eine Abzweigung gäbe, sind die Spuren mit Schnee verweht. Es bleibt uns nichts übrig, als der Spur weiter zu folgen, das stimmt aber auch mit unserer Routenbeschreibung übereinander. Der Weg hier führt steil nach oben über eine 1 m breite mit Metalltritten versehene Steinspalte, die wir mit viel Mühe beklettern müssen. Mit Schnee geht das Klettern überraschungsweise noch besser als ohne. Der Höhenmeter lässt sich aber schon merken, langsam werden wir müde und die Frage, die uns gerade wirklich interessiert, lautet: Muss man wieder bis zum Gipfel aufsteigen? Die Antwort bleibt unklar, bis wir weit vorne am Hang eine menschliche Figur mit gelber Jacke merken, die sich gerade dem Gipfel annähert.
16:15 Uhr: In der nächsten Viertelstunde kämpfen wir uns durch den verschneiten Hang. Kurz bevor wir den Gipfel der Sulzleklammspitze (2.323 m) erreichen, wirft die Sonne wieder ihre warmen Strahlen auf uns. Hier ist der Hang auch schneefrei. Wir wollen glauben, dass es der letzte Gipfel war - die angekündigten 500 hm wären nach Gefühl schon längst vorbei, irgendwann sollte es eine angenehme Gratwanderung werden, oder? Die gelbe Figur, die uns als Orientierung dient, verschwindet inzwischen hinter dem Grat, und wir freuen uns schon auf einen entspannten Abstieg. Vorne stehen weitere Gipfel, aber unser Kumpel (und spontan auch Gruppenführer, als einer, der die Route kennt) meint, der Weg sollte unterhalb von den Gipfeln liegen.
16:30 Uhr: Nach einer kurzen Pause am Gipfel, wo wir unsere restlichen Äpfel und Birnen unter den abendlichen Sonnenstrahlen verzehren, packen wir unsere Wanderstöcke wieder.
- Ooooh nein! - ruft plötzlich unsere Freundin und zeigt auf den nächsten Gipfel. Dort oben steht unser "Gelber". Es geht also doch wieder hoch! Was für eine Enttäuschung. Wir sind schon voll müde. Die Sonne neigt sich dabei deutlich Richtung Westen, und wir haben noch einen wesentlichen Teil unserer Route vor uns. Allein der Abstieg zur Brunnsteinhütte sollte laut Routenbeschreibung über schrofige Felsen verlaufen und damit extrem schwierig sein. Na ja, wir haben keine Auswahl, und mit den letzten Kräften und Wanderstöcken besteigen wir die beiden nächsten (zum Glück kleinere) Gipfel. Zum Schluss öffnet sich vor uns ein Blick auf einen Anger, hinter dem ein weiterer Aufstieg folgt. Ob der nächste Berg auch auf unserer Route liegt?
17:30 Uhr: Nachdem wir den Anger erreichen, entdecken wir dort die nächsten Wanderschilder. Ab hier geht es endlich ins Tal - erstmal 700 hm zur Brunnsteinhütte. Nach den gesamten Höhenmetern, die wir heute zurückgelegt haben, laufen die Beine fast maschinell nach unten. Es ist beeindruckend, wie unser Gehirn dem Körper hilft, neue komplexe Bewegungen zu lernen. Am Anfang meiner Bergtätigkeit war der Abstieg für mich stets eine Herausforderung, jetzt aber nach Zehntausenden von Höhenmetern muss ich meinen Kopf beim Abstieg gar nicht mehr einschalten, außer ein paar Stellen, wo man runterklettern muss - meine Füße schaffen es sonst von allein, den Weg zu finden. Ich merke sogar nicht mehr, dass kein Schnee mehr herumliegt. In langen Schleifen schlängelt sich der Steig durch den mit Latschen und Ebereschen bewachsenen Hang. Im Internet beschreiben viele Berichte diesen Abschnitt als extrem anspruchsvoll, uns kam sie aber als ganz normaler Wanderweg vor.
18:30 Uhr: Genau mit den letzten Sonnenstrahlen erreichen wir die Brunnsteinhütte (1.523 m). Seit 1965 gehört die Hütte der Alpenvereinssektion Mittenwald, 1981 wurde sie komplett umgebaut und war seitdem immer wieder Ziel für innovative Pilotprojekte. Durch ständige Bemühungen, die Versorgung nachhaltig zu verbessern, ist die Brunnsteinhütte heute autark und umweltverträglich bewirtschaftet. Unter anderem wird die Hütte seit 2013 über eine neue Wasserleitung von der Sulzleklamm versorgt, dabei wird der Strom mit einer 1kW Turbine vor Ort erzeugt.
Die Brunnsteinhütte ist heute zum letzten Mal dieses Jahr geöffnet. Wir schaffen es noch, mit Weißbier und Apfelschorle auf der Terrasse beim Sonnenuntergang anzustoßen. Danach geht's weiter mit Stirnlampen durch den finsteren Wald. Nach ca. 40 Minuten Abstieg nehmen wir an der Abzweigung den Weg über die Hängebrücke, um wieder zu unserem Startpunkt an der Karwendelbahn zu kommen. Erst gegen 21 Uhr stehen wir - voll geschafft - an unseren Autos.
Fazit: Es ist eine unglaubliche Tour für geübte Bergsteiger, die viel Kondition und hochalpine Erfahrung verlangt. Für die gesamte Strecke haben wir inklusive (lange) Pausen fast 12 Stunden gebraucht, davon ganz sportlich 3 Stunden für den Aufstieg (1.350 hm) und über 4 Stunden für den Klettersteig / Gratwanderung (ca. 600 hm). Gesamtlänge: ca. 21 km. Für den Klettersteig sollte man mehr Zeit einplanen für eventuelle Pausen. Im Winter ist der Weg kaum begehbar, viele Abschnitte sind auch lawinengefährlich. Für die Sommersaison ist die Route höchstens zu empfehlen, aber man muss die Wetterlage ganz genau beobachten (Gewitter). Im Sommer ist der Klettersteig auch sehr beliebt. Den Höhenmeter kann man sich teilweise sparen, indem man nach oben mit der Karwendelbahn auffährt. Die Route von hinten nach vorne zu wandern (von der Brunnsteinhütte zur Karwendelbahn Bergstation) scheint auch eine gute Idee zu sein. Im Herbst muss man mit Schnee in höheren Lagen rechnen. Wegen den kurzen Tagen empfiehlt es sich, eine Stirnlampe mitzunehmen.
Tipps & Infos:
- Karwendelbahn: Info & Öffnungszeiten. Es sind Parkgebühren zu entrichten.
- Anreise: Vom Hotel am Badersee erreicht man Mittenwald mit dem Auto über die B2, die Ausfahrt zur Karwendelbahn ist extra beschildert. Mit dem öffentlichen Verkehr erreicht man erst mit der Zugspitzbahn oder mit dem Eibsee-Bus den Bahnhof Garmisch-Partenkirchen, dann mit dem Regionalzug nach Mittenwald. Vom Bahnhof Mittenwald braucht man ca. 10-15 Min. zu Fuß zur Karwendelbahn Talstation.
- Der Aufstieg ist alternativ über die weniger steile Dammkar-Route möglich. Unterwegs kann man in die Dammkarhütte (1.650 m) einkehren. Zum Schluss überquert man die Westliche Karwendelspitze durch einen massiven Tunnel, der selbst eine Attraktion ist, und kommt an der Bergstation wieder raus.
- Mittenwalder Hütte: Info & Öffnungszeiten
- Brunnsteinhütte: Info & Öffnungszeiten
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